Sexualfreundliche Erziehung

Eine sexualfreundliche Erziehung hat für unsere Arbeit in unserem Kindergarten eine wichtige Bedeutung, da wir die ganzheitliche Entwicklung der Kinder fördern. In den ersten Lebensjahren stehen die Bedürfnisse nach Geborgenheit, Zärtlichkeit und sinnlicher Nähe und die Lust am eigenen Körper im Vordergrund.

„Im Kindergartenalter wird den Kindern verstärkt bewusst, dass sie Mädchen oder Jungen sind. Sie setzen sich mit ihrer Geschlechtsrolle auseinander.“ Jungen wie Mädchen möchten herausfinden wie sie selbst und wie die anderen Kinder aussehen. Dazu gehören die „Doktorspiele“ oder die gemeinsamen Besuche der Toilette, wo sie sich gegenseitig beim pinkeln beobachten. Diese Erkundungen „dienen der Klärung von Fragen und befriedigen die Neugier.“ Die kindliche Sexualität ist dabei von der erwachsenen Sexualität deutlich zu unterscheiden. Kinder wollen keine erwachsene Sexualität praktizieren, auch wenn sie bspw. Geschlechtsverkehr imitieren. Sie spielen nach, was sie ggf. gehört oder gesehen haben. „Dazu veranlassen sie aber nicht Begehren und Lustgefühle, die denen Erwachsener vergleichbar sind, sondern spielerische Neugier.“¹

Wir beantworten die Fragen der Kinder altersgemäß und durch eine geschützte und liebevolle Atmosphäre. Wir unterstützen die Experimentierfreude und Erlebnisse rund um den Körper und die Sinne der Kinder und fördern diese, damit das kindliche Selbstvertrauen gestärkt und ein positives Körpergefühl vermittelt werden kann. Die Kinder dürfen sich ausprobieren, ihren Körper – aber auch Grenzen – kennen lernen – denn dann können die Kinder lernen die Grenzen anderer kennen zu lernen. Die Kinder sollen rücksichtsvoll und achtsam miteinander umgehen.

Wir verstehen sexualfreundliche Erziehung nicht als Sexualaufklärung (wie in der Schule) und machen keine reine Informationsvermittlung, sondern sie ist bei uns Bestandteil des Alltags, indem wir den Kindern Sinneserfahrungen, Lernprozesse und Spielmöglichkeiten bieten. Wir lassen die Kinder durch Matschen, Kirschkerne u.ä. mit verschiedenen Materialien Körpererfahrungen machen. Doktorspiele und „Mutter-Vater-Kind-Spiele“ sind für die kindliche Entwicklung wichtig und körperliche Erkundigungen sind Ausdruck kindlicher Neugier – und gehören zur Auseinandersetzung des eigenen (geschlechtsspezifischen) Rollenbildes dazu. Die Kinder experimentieren mit ihrem Körper und wollen diesen entdecken. Das Wissen um den eigenen Körper macht Kinder stark.

Die Kinder in unserem Kindergarten sollen über einen altersgemäßen Wissenstands über ihren Körper und die Fortpflanzung des Menschen verfügen. Wir sprechen z.B. mit den Kindern über den Körper und benennen die Körperteile – auch geschlechtsspezifisch. Wir führen eine einheitliche Sprache in der Bezeichnung der Geschlechtsorgane (Penis, Scheide …) und nutzen keine Verniedlichungen. Wir möchten dazu beitragen, dass die Kinder körperliche oder sexuelle Sachverhalte angemessen ausdrücken können. Dies trägt dazu bei, ihr Selbstbewusstsein, Selbstwertgefühl und selbstbestimmtes Handeln zu stärken. Ein in diesem Sinne aufgeklärtes und selbstbewusstes Kind kann sich auch vor sexuellen Übergriffen besser schützen und ist in der Lage sich Unterstützung zu holen.

Die Kinder erhalten in Spielecken und Rückzugsmöglichkeiten die Möglichkeit in einer geschützten Atmosphäre ihre Körper zu erforschen. Kinderbücher zu den Themen stehen zur Verfügung. Mit den Kindern erlernen wir den Körper bzw. machen die Kinder stark durch Bewegungsspiele und Lieder.

Die Sexualerziehung – insbesondere im Hinblick auf kulturelle und religiöse Hintergründe – verstehen wir als Aufgabe der Eltern. Das Personal der Einrichtung steht den Eltern rund um das Thema der kindlichen Körperentwicklung und Sexualität stets zur Seite. Im Kindergarten liegt ständig zum Mitnehmen die Broschüre „Liebevoll begleiten … Körperwahrnehmung und körperliche Neugier kleiner Kinder“ zur Verfügung. Ein Ratgeber für Eltern zur kindlichen Entwicklung vom 1. bis zum 6. Lebensjahr (BzgA).

Was uns wichtig ist:
Wir achten darauf, dass das Schamgefühl eines Jeden respektiert wird. Die Scham entwickelt sich zwischen dem vierten und siebten Lebensjahr. Dann mag das Kind sich vielleicht nicht vor anderen ausziehen, benutzt die Toilette nur noch alleine und möchte schon gar nicht angefasst werden.

 

Die Regeln insbesondere für Doktorspiele, die mit den Kindern regelmäßig und bei Bedarf besprochen werden:

  • Jedes Kind entscheidet selbst, mit wem es Doktor spielen möchte.
  • Ein „Nein“ muss akzeptiert werden.
  • Es wird keinem anderen Kind wehgetan.
  • Niemand steckt einem anderen Kind etwas in den Po, in die Scheide, in den Penis, in die Nase, ins Ohr oder in den Mund.
  • Die Kinder dürfen sich auch ausziehen und sich betrachten – dies im geschützten Rahmen. Sie werden jedoch von den Erzieherinnen angehalten, sich dann wieder entsprechend anzuziehen und von ihnen beobachtet.
  • Größere Kinder, Jugendliche und Erwachsene haben bei Doktorspielen nichts zu suchen.
  • Wir machen den Kindern deutlich: Hilfe holen ist kein Petzen!

Im Sommer bei Wasser- und Matschspielen machen wir einen Aushang für die Eltern, dass Badesachen wie Badehose bzw. Badeanzug, Handtuch, Sonnencreme etc. mitgebracht werden sollen. Hier respektieren wir den Wunsch der Eltern inwiefern die Kinder „nackt“ bzw. eben angezogen auf dem Außengelände ihrem Spiel nachgehen können.

¹(Dorothea Hüssen, Wildwasser e.V., Ina-Maria Philipps, Institut für Sexualpädagogik Dortmund.)